„Kennen Sie Ihre Blutgruppe?“
Dies ist mit eine der häufigsten Fragen die wir stellen, wenn wir bei Blutungen in der Frühschwangerschaft angerufen werden. Eigentlich eine seltsame Frage, mit der die eine oder andere Patientin nicht rechnet, wenn man eigentlich gerade andere Sorgen hat. Diese Frage hat aber grosse Wichtigkeit. Nicht unbedingt für die Situation im Moment, viel mehr ist dies eine entscheidende Frage für zukünftige Schwangerschaften.
Die Blutgruppe eines Menschen wird durch kleine Proteine bestimmt, die auf der Oberfläche der roten Blutzelle zu finden sind. Je nach Protein kann das rote Blutkörperchen in verschiedene Systeme eingeordnet werden. Es gibt insgesamt 35 anerkannte Blutgruppensysteme, das wichtigste, auch für Bluttransfusionen, ist jedoch das AB0 und Rhesus-System.
Zum AB0 System
A und B sind zwei verschiedene Proteintypen, die sich auch in Kombination auf den roten Blutkörperchen zeigen können. Beide Proteine werden dominant vererbt. Null bedeutet, wie der Name schon sagt, dass das rote Blutkörperchen keines der beiden Proteine auf seiner Oberfläche hat. Beim Rhesus-System ist das noch viel einfacher, entweder man hat einen Rhesusfaktor, dann ist man Rhesus positiv oder eben nicht und ist somit Rhesus negativ.
Jeder Mensch hat die Blutgruppe, die seine Eltern ihm vererbt haben. Die Vererbung der Blutgruppe folgt den Mendelschen Regeln. Das bedeutet, dass eine Information vom Vater kommt, die andere von der Mutter. Je nachdem welche dieser Informationen dominant ist, wird diese auf der Oberfläche der roten Blutkörperchen des Kindes gezeigt. Eine Ausnahme ist die Blutgruppe AB. Hier sind beide Informationen dominant und werden auch beide auf den roten Blutkörperchen gezeigt.
Für die Schwangerschaft ist vor allem der Rhesusfaktor entscheidend. Doch warum ist dies für uns Gynäkologen so wichtig? Und was hat der Rhesusfaktor für eine Konsequenz für die werdende Mutter?
Dass es zwischen dem Rhesusfaktor und Schwangerschaftskomplikationen einen Zusammenhang gibt, entdeckte der britische Wissenschaftler Sir Cyril A. Clarke. Er brachte den negativen Rhesusfaktor der Mutter, mit einer Krankheit beim ungeborenen Kind in Verbindung. Das Kind litt an der sogenannten Blutarmut, verursacht durch den Zerfall der roten Blutkörperchen. Je nach Ausmass des Zerfalls, kann dies zu Herzversagen und zu Wassereinlagerung, vor allem in der Lunge und dem Bauch, aber auch im ganzen Körper des Babys kommen.
Aber warum werden die roten Blutzellen von Kinder schon im Bauch der Mutter zerstört?
Schuld ist das Immunsystem, dessen Aufgabe vor allem die Abwehr von Krankheitserregern ist. Dabei reagieren die unterschiedlichen Abwehrsysteme des Körpers auch auf fremde Proteine, z.B. auf solche von fremden Blutzellen. Da unser Immunsystem immer dazulernt und dafür sorgt, dass es potentielle Angreifer bei neuem Kontakt schneller erkennen und bekämpfen kann, bildet es Antikörper. Diese Antikörper sind sozusagen das Gedächtnis des Immunsystems.
Eigentlich ein sehr nützlicher Mechanismus, denn wer will schon Krankheiten wie zum Beispiel die Windpocken zweimal haben?
Bei der Schwangerschaft und dem Rhesusfaktor wird der Segen allerdings zum Fluch.
In der Schwangerschaft und unter der Geburt lässt sich ein Blutaustausch zwischen Kind und Mutter nicht vermeiden. Wenn die Mutter Rhesus negativ ist und das Baby Rhesus positiv, erkennt ihr Immunsystem das Rhesusprotein des Babys bei einem Blutaustausch und stuft dies als fremd ein. Ihr Immunsystem reagiert wie auf alle Eindringlinge. Es bekämpft den Fremdling. Um beim nächsten Kontakt mit diesem Fremdling noch schneller sein zu können, werden Antikörper gebildet. Und genau die sind es, die in einer nächsten Schwangerschaft zu Problemen führen können. Diese Antikörper sind klein genug und können über den Mutterkuchen in das Blut des ungeboren Kindes gelangen. Eigentlich auch ein guter Gedanke der Natur. Denn so kann das Mami dem Baby für die ersten Lebenswochen, einen Teil ihres Immungedächtnis weiter geben und es so vor Krankheiten schützen, bis das Baby stark genug, dies selbst zu tun.
Aber im Falle des Rhesusfaktors ist das nicht ganz so gut. Ist das nächste Kind wieder Rhesus positiv und wird mit den Antikörpern der Mutter konfrontiert, bekämpfen diese Antikörper das „fremde“ Protein im Blut des Kindes und es kommt zum Abbau der roten Blutzellen und damit, je nach Umfang der Reaktion, zur Blutarmut, Wassereinlagerungen, oder im schlimmsten Fall auch zum Tod des Kindes.
Um dies zu verhindern ist es sehr wichtig, den Rhesusfaktor zu kennen, da es während der Schwangerschaft bereits zum Blut-Austausch kommen kann. Damit die Mutter keine Antikörper, also ein Gedächtnis gegen den positiven Rhesusfaktor bilden kann, ist es entscheidend, dass sie in der Schwangerschaft sogenannte Anti-D-Antikörper bekommt. Diese können sich an die kindlichen roten Blutzellen binden, die in die mütterlichen Blutbahnen gelangen und so die Bildung des Immungedächtnis verhindern. Das Anti-D macht sozusagen die Blutzellen des Babys, für das Immunsystem des Mamis unsichtbar.
Mindestens einmal ist es für jede Rhesus negative Frau in der Schwangerschaft empfohlen, diese sogenannte Rhesusprophylaxe zu erhalten, und zwar in der 28. Schwangerschaftswoche. Und jedes weiter mal, wenn man befürchten muss, dass es zu einem Blutaustausch zwischen Mami und Baby gekommen ist. Zum Beispiel bei einer vaginalen Blutung in der Schwangerschaft, bei einem heftigen Stoß gegen den Bauch oder auch bei Eingriffen in der Schwangerschaft, zum Beispiel bei eine Probeentnahme aus der Plazenta für genetische Tests.
Um also alle Kinder aus zukünftigen Schwangerschaften zu schützen, ist es wichtig seine Blutgruppe zu kennen.